Architektur, Nudging und Gesundheit

Warum Architektur, Nudging und Gesundheit zwingend zusammengehören

Der bisherige Fokus solcher Maßnahmen lag primär auf sehr harten Faktoren wie Lichteinstrahlung, Lärm und Luftqualität. Auch machen sich bereits einige Hersteller von Bürostühlen einen Namen, die absolut ergonomisch und rückenschonend daher kommen. Ähnliches gilt für höhenverstellbare Tische oder gar Laufbänder, damit Arbeiten im Stehen oder sogar Gehen/Laufen möglich wird. Ähnliches gilt für „Stand-Up-“ oder „Walk-Around-Meetings“. Dieser Prozess geht damit einher, dass sich allgemein eher starre Konventionen im Büro-Alltag auflockern.

Status Quo: Bisherige Maßnahmen im Kontext 'Gebäude, Büro und Gesundheit'

Mehr als 99 % aller Unternehmen in Deutschland sind klein- und mittelständische Unternehmen (sogenannte KMUs) und mehr als die Hälfte aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind dort beschäftigt (IfM Bonn). Während das Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in den meisten großen Betrieben bereits prominent berücksichtigt wird, gelingt eine solche Durchdringung in kleinen Unternehmen noch nicht. Dies liegt noch gar nicht mal unbedingt daran, dass das Thema nicht präsent wäre, sondern KMUs sehen sich diesbezüglich besonderen Rahmenbedingungen gegenüber:

  1. Der finanzielle Aufwand erscheint als zu groß
  2. Auch der zeitliche Aufwand wird im Vergleich zum Tagesgeschäft als überproportional angesehen
  3. Gerade KMUs müssen durch ihre täglichen Herausforderungen häufig kurzfristiger planen, um den Betrieb am Laufen zu lassen – BGM erfordert jedoch Investition in Langfristigkeit
  4. Es fehlt ggf. an geeigneten methodischen Kenntnissen effektives und effizientes Gesundheitsmanagement im Betrieb einzuführen und zu betreiben

5 Säulen unseres Wohlbefindens

Im internationalen Kontext zeigt sich gerade eine erst entwickelnde Fachwissenschaft, die auf wissenschaftlicher Evidenz und Fallstudien aufbaut und über das bisherige Verständnis von Gesundheit hinausgeht (Steemers 2015). In diesem Kontext wird Gesundheit vielmehr als „Wellbeing“ verstanden, welches auf fünf Säulen aufbaut, die nachgewiesenermaßen unser Wohlbefinden entschieden beeinflussen (Foresight 2008):

  • Connect (Verbindung): Unsere direkten Interaktionen mit anderen Menschen
  • Keep active (Aktivität): Tägliche körperliche Aktivität
  • Take Notice (Achtsamkeit): Aufmerksamkeit gegenüber eigener Gefühle und Gedanken, sowie die seiner Mitmenschen und Umgebung
  • Keep Learning (Lernen): Lebenslanges Lernen neuer Aufgaben im beruflichen und privaten Setting
  • Give (Geben): Prosoziales altruistisches Verhalten

Vorteile einer gesundheitsorientierten Umgestaltung von Gebäuden gegenüber herkömmlichen Maßnahmen

Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Maßnahmen der (betrieblichen) Gesundheitsförderung lassen sich auf Basis drei primärer Faktoren festhalten.

1. Ansprechen aller sozialen Gruppen

Ändern wir die Architektur eines Gebäudes sind alle von den Änderungen betroffen, die sich in dem Gebäude aufhalten. Die „Teilnahmequote“ liegt also bei 100 %. Welche vergleichbare BGM-Maßnahme kann etwas Vergleichbares erreichen? Dies bedeutet ganz konkret, dass Änderungen von Gebäude- und Stadtarchitektur sich positiv auf die Gesundheit aller sozialen Gruppen auswirkt in Bezug auf Alter, Generation, Geschlecht und weitere demographischer und sozioökonomischer Faktoren (Haworth 2018). Die häufig konstatierte ‚Soziale Selektion‘ fällt somit aus.

2. Die Veränderungen ergeben sich intuitiv und gehen in Routinen über

Wir können gar nicht anders: wir müssen uns in dem Raumdesign bewegen, in dem wir uns befinden. In der Fachsprache wäre dies ein sehr klares Beispiel von Verhältnisprävention. Jedes Design, ob Büro, Einkaufsgalerie oder Stadtarchitektur hat immer unmittelbaren (und häufig unbewussten) Einfluss auf unser Verhalten. Steht der Aufzug im Vordergrund und ich weiß gar nicht, wo sich die Treppe befindet beeinflusst das ebenso meine Entscheidung wie ein entgegengesetztes Setting, in dem die Treppe attraktiv und prominent platziert ist und ich den Aufzug nicht sehen kann. So erreicht man wirkliche Nachhaltigkeit. Ein Kriterium, dem wirklich viele Initiativen nicht gerecht werden.

3. Kaum zusätzlicher (finanzieller) Aufwand

Gerade beim Bau neuer Gebäude bietet sich ein gesundheitsorientiertes Design. Denn: das Gebäude muss ja ohnehin designt werden. In Punkto Nachhaltigkeit haben das viele Architekten und Baufirmen bereits auf dem Schirm. Aber wie häufig sind ein Gesundheits- oder Public-Health-Experte mit am Tisch Zusätzliche Änderungen sind häufig marginal vom Aufwand der Umsetzung, aber auch finanziell. Diese liegen in der Regel bei etwa 1 % der Gesamtbaukosten (Miller et al., 2018).

Beispiele eines "Nudging-Health-Designs"

Bewegungsförderung im Büro

Zur Steigerung der körperlichen Aktivität sollten Treppen prominent platziert, gut sichtbar und ästhetisch gestaltetet sein, gerne auch mit motivierenden Nachrichten, die zur Benutzung auffordern (New York 2009). Darüber hinaus sollten wichtige Räume, die häufig frequentiert werden, auf verschiedenen Etagen liegen und über Treppen gut erreichbar sein (Steemers 2015). Weitere Möglichkeiten zur Bewegungsförderung umfassen die weniger prominente Platzierung von Fahrstühlen oder das Anzeigen der Dauer durch die Benutzung von Fahrstühlen, die anzeigen, dass die Treppenbenutzung die schnellere Variante ist (Haworth 2018).

Gemeinschaftsräume wie Cafeteria oder Postfächer sollten so platziert werden, dass deren Verwendung mit kurzen Gehstrecken zum jeweiligen Arbeitsplatz verbunden ist (New York 2009). Weiterhin sollte Attraktivität von Geh-Korridoren mit angenehmem Licht, interessanter Wandgestaltung oder schönen Aussichten gesteigert werden (Steemers 2015). Außerdem hilfreich für vermehrte Bewegung ist ein intuitiv verständliches Netzwerk aus Gehstraßen, in dem man sich gut zurecht findet (Haworth 2018)

Sind Fitnessräume, Trimm-dich-Geräte oder Laufstrecken vorhanden oder in Planung, sollte die Sicht auf diese erhöht werden (New York 2009).

Weiterhin steigern ausreichende Dusch- und Umkleidemöglichkeiten, sowie sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder die Rate an Pendlern, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen (New York 2009).

Nudging zu einer höheren Leistungsfähigkeit durch Raumdesign

Besonders interessant für Manager sind Erkenntnisse über den Zusammenhang von Raumdesign und Performanz-Steigerung in Bezug auf spezifische Aufgaben: So unterstützen hohe, blaue Räume mit eher runden Formen kreative Aufgaben, während rote Räume mit rechteckigen Formen und eher tiefen Decken insbesondere klar definierte Aufgaben unterstützen, die einen hohen Grad an Fokus und Konzentration erfordern (Steemers 2015).

Nudging, Gesundheit und Architektur in Wohnräumen

Nicht nur in Büro-, sondern auch in Wohnräumen können architektonische Nudges“ sinnvoll eingesetzt werden: So sollten Küchen so gestaltet werden, dass soziale Interaktionen mit anderen Hausbewohnern gefördert werden (Steemers 2015). Auch die Verfügbarkeit (gemeinsamer) Schrebergärten fördert den sozialen Austausch (Steemers 2015), sowie die physische Nähe von Essensräumen und Kochmöglichkeiten, sowie die Trennung von Fernseh- und Essensräumen. Diese können zudem auch die körperliche Aktivität steigern, wenn die Räume auf unterschiedlichen Etagen platziert werden (Steemers 2015). Selbstverständlich ist bei all diesen Maßnahmen auch an Lösungen für Menschen mit Gehbehinderung zu denken, die ebenso kreative und einladende Lösungen erfordern.

Weiterführende Literatur

Mathias Krisam

Autor: Dr. med. Mathias Krisam

Arzt und Geschäftsführer von läuft
Schreib dem Autor für Feedback oder weitere Fragen zum Thema: mathias.krisam@laeuft.eu

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