Nudging im Arbeitsschutz

Umfassende Informationen und Ratschläge für alle Interessierten

Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz stehen in Deutschland auf einer breiten rechtlichen Grundlage. Sie zeichnen sich durch eine Vielzahl von einzuhaltenden Vorschriften, technischen Regeln, Merkblättern und Formularen aus. Für Nudging scheint hier dementsprechend kein Platz. Doch: Zumeist ist gesetzlich nur das Outcome vorgegeben – der Weg zum vorgeschriebenen Ziel kann von jedem Unternehmen selbst gestaltet werden.

Wie immer: meldet euch gerne bei weiteren Fragen oder Feedback zum Artikel beim Co-Autor: mathias.krisam@laeuft.eu

In Kürze: Rechtliche Grundlage des Arbeitsschutzes

Das Ziel des Arbeitsschutzes besteht vorrangig in der Verhinderung von Unfällen, Verletzungen und anderen gesundheitlichen Einschränkungen im Arbeitskontext. Hinzu kommen verstärkt Aspekte der Prävention im Sinne der ‚arbeitsmedizinischen Vorsorge‘ nach § 3 ArbMedVV sowie „Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit“ (§ 2 Abs. 1 ArbSchG). Abhängig von der Unternehmensgröße sind für den Arbeitsschutz eine Fachkraft für Arbeitssicherheit (Sifa), der betriebsärztliche Dienst sowie der Arbeitssicherheitsausschuss (ASA) zuständig. Die Verantwortung, die Vorschriften des Arbeitsschutzes umzusetzen, einzuhalten und „eine Verbesserung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten anzustreben“ (§ 3 Abs. 1 S. 3 ArbSchG) liegt beim Arbeitgeber.

Praktische Umsetzung?

Trotz dieser klar geregelten Verantwortlichkeiten und dem Bemühen der Arbeitgeber, alle Regelungen des Arbeitsschutzes ihren Beschäftigten gegenüber zu kommunizieren und auf deren Einhaltung zu achten, kann die Anzahl an Arbeitsunfällen, berufsbedingten Erkrankungen und vermeidbaren Gefährdungen seit Jahren nicht weiter gesenkt werden. Neben anderen Faktoren kann dies darauf zurückgeführt werden, dass eine reine Bereitstellung von Informationen nicht ausreicht, sowie die Bewusstseinsbildung durch betriebsärztlichen Dienst, ASA und Sifa teilweise unzureichende Handlungswirksamkeit entfalten. 

Drei Möglichkeiten für humorvollen und effizienten Arbeitsschutz

1. Gamification in der Arbeitssicherheitsunterweisung

Deutlich wird diese Problematik insbesondere an Inhalten, die im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitssicherheitsunterweisung (§ 81 BetrVG; §§ 12 & 14 ArbSchG) vermittelt werden. Auch wenn hier das Ziel, die Unterweisung der Beschäftigten über Sicherheit und Gesundheitsschutz, vorgegeben ist, bleibt Arbeitgebern Spielraum, wie sie die Unterweisung durchführen. Nudging kann hier eine Möglichkeit sein, Inhalte ansprechender aufzubereiten und in eine höhere Handlungswirksamkeit zu überführen.

Besonders erfolgsversprechend ist dabei eine Gamifizierung der Arbeitssicherheitsunterweisung. Diese verbindet Nudge-Elementen aus Informations- und Entscheidungsarchitektur, wobei Spielmechanismen gezielt eingesetzt werden (sog. ‚serious game‘). Die Gamifizierung basiert auf der Erkenntnis, dass Menschen soziale Wesen sind, die sich gerne in spielerischen Wettbewerben vergleichen und dabei gleichzeitig ihre eigenen Kenntnisse und Fähigkeiten bestätigt bekommen wollen. Im Rahmen der Arbeitssicherheitsunterweisung kann Gamification vor allem dazu beitragen, dass die Inhalte „nicht ganz so trocken“ und zugleich verständlicher vermittelt werden.

Prinzipiell kann Gamification analog sowie digital erfolgen und genügen kleine Interventionen, um die Aufmerksamkeit der Beschäftigten auf die Inhalte zu fokussieren. 

„1, 2 oder 3?“ - Quiz
„Das nächste Level ist freigeschalten.“ – phasenadäquate Wissensvermittlung

Beginnen Sie die Unterweisung mit einem kleinen Quiz, um Vorwissen Ihrer MitarbeiterInnen zu aktivieren und zugleich Wissenslücken zu identifizieren.

Vorsicht: Führen Sie das Quiz anonym (über eine entsprechende App) oder in fair verteilten Teams durch. Achten Sie insbesondere darauf, dass leistungsschwächere Beschäftigte oder Personen, die zum ersten Mal an einer Unterweisung teilnehmen, nicht bloßgestellt werden. 

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Fokussieren Sie sich im Rahmen der Unterweisung auf die notwendigen Informationen, um eine Überforderung Ihrer Beschäftigten zu vermeiden. Machen Sie beispielsweise einen ‚Stationenlauf‘, wobei die Stationen in Schwierigkeit und Informationstiefe aufeinander aufbauen. Ist eine Station erfolgreich bearbeitet, schalten Sie als UnterweiserIn das nächste Level (d.h. die nächst schwierigere Station) frei. Ihre Beschäftigten werden durch den schrittweisen Wissensgewinn und Kompetenzentwicklung zusätzlich motiviert.

 

Vorsicht: Achten Sie auch hier darauf, dass niemand bloßgestellt wird. Nehmen Sie beispielsweise auf Lernschwierigkeiten wie Lese- und Rechtschreibschwäche Rücksicht und formulieren Sie die Aufgaben so, dass sie die gesamte Belegschaft versteht. Außerdem sollte die Arbeitssicherheitsunterweisung ihren seriösen Charakter behalten. Je nach Ausgestaltung des Serious Game sowie der Unternehmenskultur und Erwartungshaltung Ihrer Beschäftigten besteht die Gefahr, dass Sie sich durch (zu viel) Gamifizierung lächerlich machen.

2. Was neben Gamification auch immer gut funktioniert? Humor!

Wie bereits zuvor erwähnt, ist gerade Arbeitsschutz häufig uncool und unbeliebt. Lockern Sie daher Aufforderungen oder Arbeitsschutzanweisungen auf mit witzigen Sprüchen und/oder knalligen Aufklebern auf Schutzhelmen oder auch Exoskeletten. Letztendlich geht es darum, dass Sie eine positive Assoziation mit dem jeweiligen Gegenstand oder Verhalten der Arbeitssicherheit schaffen. Humor ist da in der Regel immer eine bessere Alternative als strikte Anweisungen.

3. Nicht zu vergessen: die Entscheidungsarchitektur

Als Entscheidungsarchitektur bezeichnet man die Umgebung, die Einfluss auf eine Entscheidung nimmt. Diese kann sowohl immateriell (z. B. durch soziale Normen) oder physisch (z. B. durch die intelligente Platzierung entscheidender Gegenstände) sein. Ganz konkret beim Arbeitsschutz bedeutet dies: Kommunizieren Sie zum Beispiel, wenn die Mehrheit der Beschäftigten den gewünschten Arbeitsschutz bereits ausführt. Vergleiche mit einer unmittelbaren Bezugsgruppe haben einen großen Einfluss auf das eigene Verhalten.
In Bezug auf eine physische Anpassung kann es entscheidend sein, wo zum Beispiel der Gehörschutz platziert ist. Die beste Position: Unmittelbar bevor er auch tatsächlich gebraucht wird.

Und nun?

Nudging, hier vorgestellt in Form von Gamification, Humor und der passenden Entscheidungsarchitektur, sind Möglichkeiten, der Arbeitssicherheitsunterweisung ihren verstaubten Charakter zu nehmen und das Interesse der Beschäftigten für die als trocken empfundenen Inhalte zu wecken. Dennoch ist darauf zu achten, diese Elemente effizient einzusetzen – häufig genügt für den Anfang die Einführung eines einzigen Elements (bspw. eines kurzen Quizes), um den Lernerfolg zu steigern. Wichtig ist und bleibt zudem, dass sie zielgerichtet eingesetzt werden und den Beschäftigten vorab die Relevanz des spielerischen Elements für ihren Berufsalltag aufgezeigt wird. Dies erhöht die Glaubwürdigkeit und führt dazu, dass sich Beschäftigte eher motiviert als manipuliert fühlen.

Ein Tipp zum Schluss: Wenn Sie sich nicht sicher sind, wie Nudging durch Gamification bei Ihren Beschäftigten ankommt, ist es hilfreich, Ihre Mitarbeiter bereits in der Konzeptionsphase einzubeziehen. Am Ende des partizipativen Prozesses (z. B. in Form eines Workshops) kann ein Testdurchlauf mit anschließendem Feedback sowie die gemeinsame Entscheidung stehen, ob und welche spielerischen oder kommunikativen Elemente einen Platz im Unternehmen haben können. Und die Erfahrung zeigt, dass häufig die Beschäftigten bereits sehr gute Ideen haben, welche Änderungen am meisten Sinn und Spaß machen können.

Autorin: Eva Kuhn

Wissenschaftliche Mitarbeiterin am UK Bonn

Mathias Krisam

Co-Autor: Dr. Mathias Krisam

Arzt und Geschäftsführer von läuft
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